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Die Pest in Südtirol

Historiker sprechen von drei großen “Pestwellen”. Die erste war die “Justinianische Pest”, die zwischen 531 und 580 vor allem den östlichen Mittelmeerraum erschütterte. Mitteleuropa erreichte die Pandemie im Jahre 545.

 

Die zweite große Pestwelle überrollte Europa in den Jahren 1337 bis 1352 mit verheerenden Folgen: Die Peststerblichkeit lag meist über 30 Prozent. Es wird geschätzt, dass die Hälfte der 100.000 Einwohner von Paris an der Pest starben. Hamburg und Venedig verloren 60 Prozent der Bevölkerung. In zeitgenössischen Berichten ist die Rede von Straßen, die mit Leichen übersät waren, und überquellenden Massengräbern. Insgesamt 25 Millionen Menschen sollen in dieser zweiten großen Pestpandemie gestorben sein.

 

Der schwarze Tod des 14. Jahrhunderts war wohl der schlimmste Pestausbruch in Europa. Danach verschwand die Infektion nie ganz. Im 17. Jahrhundert gab es einen weiteren schweren Ausbruch. In der Zeit zwischen 1628 bis 1631 starben in Frankreich und Italien je eine Million Menschen. [1]

 

In Tirol wütete die Pest am heftigsten zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Spanische Kriegsvölker zogen durch das Oberinntal und über den Fernpaß nach Deutschland, im Oberinntal und Vinschgau lagerten viele Truppen und durch sie wurde die Krankheit eingeschleppt. Im Jahre 1611 und 1612 trat in dieser Gegend die Pest da und dort auf, aber ungleich stärker wütete die gefürchtete Seuche 1634 bis 1636. Die Erinnerung an sie hat sich bis heute im Volksbewusstsein lebhaft erhalten und wir finden in der Nähe der Ortschaften noch viele Kapellen, Pestfriedhöfe und Bildstöcke , die an diese grauenvolle Zeit erinnern.

 

In den Alpenländern verehrte man bis zu 60 Pestpatrone. In Tirol wurden als solche besonders der hl. Sebastian, Rochus und Pirmin um Hilfe angerufen. [2]

 

Zum Beispiel die St. Sebastian-Kirche auf der Weit ist eine Pestkirche und befindet sich südlich von Unterinn am Ritten. Die Entstehung geht auf ein frommes Gelöbnis zurück: Als die im Jahre 1634 erstmals ausgebrochene Pestseuche auch 1636 wieder auftrat und zahlreiche Opfer forderte, gelobten die verschreckten Unterinner, dem heiligen Pestpatron Sebastian eine Kirche auf dem Weithügel zu erbauen, wenn er es durch seine Fürsprache bei Gott dahin bringe, dass die Seuche erlösche und sie auch in Zukunft verschont bleiben würden. Die Seuche erlosch im Herbst desselben Jahres und kam auch im folgenden Jahr nicht wieder - und so machten sich die dankbaren Unterinner, getreu ihrem Gelöbnis in schwerer Stunde, noch im Jahr 1637 auf und begannen mit dem Bau der Kirche. [3]

 

Diese Geschichte erzählt auch der Band: Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, von Ignaz Vinzenz Zingerle.

 

Die Pestkirche

 

Vor mehreren hundert Jahren regierte auf dem Ritten die Pest, ganze Häuser starben aus und standen leer und ledig. Wo noch Leute am Leben waren, zündeten sie Lichter an und gaben dadurch Zeichen. Auf Ofenflecken reichten die Priester die Wegzehrung den Sterbenden durch das Fenster und wer noch konnte, kroch heran und labte sich am Leib des Herrn. Die Totenglocke läutete man nicht mehr, aber wenn wieder in einem Hause keine Lichter mehr brannten, so wusste man schon, da drüben ist alles gestorben, und so ging es fort und fort von Hof zu Hof.

Da gelobten die Gemeinden, eine Kirche zu bauen, wenn das große Sterben aufhöre. Das geschah, Gott hieß den Todesengel an den Wohn Stätten vorübergehen - aber die Kirche bauten die Rittner nicht!

Nun kam ein zweites Sterben, grösser als das erste, so dass wenige verschont blieben. Diese gelobten neuerdings, und als die Pest wich, gingen sie in Streit. Die eine Gemeinde wollte die Kirche da, die andere dort bauen.

Während die Gemeinden hin- und her stritten, kamen Vöglein daher und trugen die "Scheatlen" von den gefällten Bäumen auf einem Ort zusammen, gerade so gross wie die Kirche werden sollte. Dort wurde die Kirche gebaut, es ist die Kirche auf der Weit von Unterinn.

 

Pestkirche St. Sebastian auf der Weit, Unterinn

[1] Auszüge aus dem Artikel: www.hausarzt.digital/kultur/die-pest-40243.html

[2] Innsbrucker Nachrichten, 26. September 1936

[3] Auszüge aus dem Artikel: www.geocaching.com/GC2NC91_st-sebastian-kirche-auf -der-weit

 

HG.Seebacher - 03.2021